Irgendwo im Nirgendwo…

Irgendwo im Nirgendwo liegt er, der Hungrige Wolf. Im platten Land Schleswig-Holsteins zwischen Itzehoe, Hohenlockstedt und Schenefeld, versteckt hinter dichten Baumreihen. Doch was dort lauert, ist kein gefährliches Raubtier. Vielmehr verbergen sich hinter dem martialischen Namen ein ehemaliger Bundeswehr-Flugplatz und eine ganz besondere Veranstaltung für Altblechfreunde – die „Classic Motor Days“. Deren Motto ist auch Programm: „Oldtimer auf der Rennstrecke und in der Luft“, wirbt der Veranstalter vielversprechend.

Grund genug für eine Gruppe „Pre 80’s“-Piloten und Keil-Fahrern, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. Als Klein-Konvoi starten Patrick, Nils, Tim und Malte (alle Taimar), Robin und Felix (Tasmin 200i bzw. 280i Coupé) sowie Moritz (350i) am 28. Mai zum Flughafen. Dank vorhergehender Abstimmung von Patrick und Rolf (Scimitar SE5) wartet bereits eine Gemeinschafts-Parkfläche für Fahrer beider Marken auf sie. Dort angekommen, ist die Überraschung groß. Nicht nur über das riesige Gelände, sondern auch über die Größe der Veranstaltung: Bei sonnigem Traumwetter haben sich mehrere Tausend Besucher eingefunden und ein Rekord-Starterfeld von 200 Teilnehmern, die in zehn Fahrzeugklassen gegeneinander antreten. Nach Auto- und Motorrad getrennt, aber innerhalb dieser Kategorien ziemlich bunt gemischt. Das geht, denn auf dem Rundkurs mit über 2,5 Kilometer Länge stehen Gleichmäßigkeitsrennen an. Das präzise Zeitfahren schert allerdings nicht alle Fahrer. Viele nehmen eher im olympischen Geiste teil, verzichten auf eine gute Platzierung – und heizen einfach um den Kurs, was ihr Gerät hergibt.

Interessenten können sich über die jeweiligen Fahrzeuge im Fahrerlager informieren oder sie beim Vorstart begutachten. Einmalig: Dort stehen Autos und Motorräder sowie Flugzeuge brav nebeneinander Schlange und warten darauf, auf die Strecke fahren beziehungsweise sie Richtung Startbahn überqueren zu können. Denn der (mittlerweile zivile) Flughafenbetrieb läuft auch während der „Classic Motor Days“ weiter. Parallel zum Rennbetrieb starten und landen zahlreiche Maschinen und Fallschirmspringer der dortigen Schule schweben in größeren Gruppen auf dem Gelände ein. Disneyland für große Jungs.

Mindestens ebenso interessant wie die Rennen selbst (moderiert u.a. von Speedway-Legende Egon Müller) sind die Parkflächen zwischen den Hangars. Neben viel deutschem Altblech vom customized Opel Kapitän und zahlreichen Porsche 911 sind vor allem US-Cars (Mustangs en masse) zu sehen. Die italienische Flagge halten diverse Abarth-Fiat und ein Lancia Fulvia im Renntrim hoch. Aber auch England ist vertreten: Lotus, Triumph, MG, und Morgan finden sich ebenso wie ein Scimitar. Jaguar ist nicht nur mit diversen E-Types dabei, sondern auch mit einem V12-Mittelmotor-Rennwagen vom Typ XJ 13, der Mitte der 1960er-Jahre Erfolge einfahren sollte.

Aber auch etwas abseits finden sich Kuriositäten. Etwa ein Ford-GT40-Nachbau, den es in den 1970er-Jahren als Kit Car im deutschen Versandhandel zu kaufen gab, Käfer-Chassis und -Brief vorausgesetzt. Bis heute noch mit grau unlackierter Kunststoffkarosserie und 50 PS im Heck, aber schon flüssigkeitsgekühlt, wie die stolze Eignerin betont, steht der Selbstbau-Bolide auf dem Parkplatz.

Die Motorräder nehmen etwas weniger Raum ein, aber unter den vielen Serien- bzw. seriennahen Maschinen stechen einige fantastisch restaurierte Klassiker hervor. Etwa eine rotmetallic lackierte, frühe Honda CB 750 Four oder eine Moto Guzzi 850 T, deren V2 ebenso glitzert wie der Rest des penibel gepflegten Bikes. Oder eine Honda CB 550 von Ende der 1970er-Jahre mit besonders konsequentem Besitzer. Er hat sie nicht nur zu einem schicken Café Racer umgebaut, sondern bewegt sich auch tatsächlich flott über die Rennstrecke.

Dass die bunte Mischung der „Classic Motor Days“ auch über die Region hinaus anziehend wirkt, zeigt sich nicht zuletzt an den Kennzeichen der Fahrer und Besucher: Ob aus Berlin oder dem Südrand Niedersachsens – dem Hungrigen Wolf gehen viele in die Fänge. Und haben Spaß dabei. Wie auch die Pre-80’s-Piloten. Sicherlich nicht ihr letzter Konvoi ins Nirgendwo.

Bildquelle: Rolf, Binnemann, Benjamin Krasemann, Nils Kirchhoff
Text: Ralf Gruber