TVR 350i 2+2 vs. Trident Clipper

Stiefbrüder mit 15 Jahre Altersunterschied?

Keil, V8, Martin Lilley – diese Aufzählung passt zu zwei Autos, dem TVR Trident wie dem TVR Tasmin. Martin Lilley weigerte sich jahrelang, sich zum Thema „Trident“ zu äussern, obwohl er das TVR Trident Cabriolet längere Zeit als Privatauto genutzt hatte. Grund für seine Haltung war die grosse Enttäuschung, durch den TVR-Händler Bill Last beim Trident-Projekt ausgebootet worden zu sein. Er und sein Vater hatten im Herbst 1965 die verbliebenen Aktiven der konkursiten Firma TVR Engineering in der Hoffnung gekauft, aus dem Trident etwas machen zu können.

Als sich Martin Lilley Ende der 70er-Jahre entschloss, die Modell-Palette von TVR mit einer komplett neuen Karosserieform umzukrempeln, gab er dem Trident-Designer Trevor Fiore erneut eine Chance. Zum vereinbarten Termin kam Fiore aber ohne irgendwelche Vorschläge oder auch nur Skizzen. Am Pre-80s Treffen 2009 erzählte Martin Lilley, er rege sich heute noch auf über das verschwendete Mittagessen, das er bezahlt hatte… Den Auftrag bekam stattdessen Oliver Winterbottom, der die neue Karosserie zeichnete. So kam Martin Lilley 15 Jahre nach dem Trident mit dem Tasmin doch noch zu seinem Keil.

Für bekennende Keil-Fans wie es die Trident-Besitzer sein müssen, stellt sich natürlich immer die Frage, ob mit dem TVR 350i 2+2 der Liebhaberei mit modernerer Grundlage nachgelebt werden könnte. Frank Tanner, Eigentümer eines LHD 350i 2+2, war seinerseits neugierig, wie sich die Vorgänger seines Autos anfühlen, weshalb wir uns zu einem Sommerabendausflug mit Autotausch trafen. Nebst dem TVR von Frank fanden sich zwei Trident Clipper V8 (Rainer Ott bzw. Bruno Meier), ein Trident Venturer V6 (Roland Flüeler) und auch ein TVR Griffith (Kurt Stuker) zum Vergleich ein.

Beim 350i fiel mir sofort auf, wie viel tiefer man im Auto sitzt, wenn nicht ein Plattformrahmen wie jener eines Austin-Healey 3000 Mk III einen auf Augenhöhe mit Limousinen bringt, wie beim Clipper. Andererseits trägt gerade die 2+2-Karosserie zu „luftigen“ Verhältnissen bei, wie ich es auch vom Trident gewohnt bin. Ganz anders als die „Höhlen“ bei vielen modernen Autos, die mit dicken Dachpfosten und kleinen Heckscheiben die Sicht auf die Umgebung nicht erleichtern. Wegen mangelnder Beinfreiheit sind die hinteren Sitze sowohl beim TVR wie beim Trident aber nur als Kleider- und Gepäckablage brauchbar.

Obwohl der TVR optisch breiter wirkt, sind er mit 173 cm und der Trident mit 172,5 cm praktisch gleich breit. Die grosszügigere Schulterfreiheit im TVR gegen die Türe hin wird jedoch mit der Konstruktion der Türverkleidung (Türgriff und Aufpolsterung) wieder zunichte gemacht, denn damit wird im TVR die Beinhaltung vorgegeben beim Fahren, während der Trident diesbezüglich Bewegungsfreiheit erlaubt.

Steigt man vom Trident in den TVR um, geben einem bereits die ersten gefahrenen Meter das Gefühl, mehr als 15 Jahre Altersunterschied zu erleben. Beim TVR erschien mir alles sehr leichtgängig (Lenkung, Kupplung, Bremse, Schaltung), wie man es von modernen Autos gewöhnt ist. Erstaunlicherweise musste ich mich bei dieser konstruktionsbedingten Hilfe beim Fahren mehr Aufmerksamkeit für eine flüssige Fahrweise aufwenden, als dies beim Trident der Fall ist. Die uralte Technik (Austin-Healey-Chassis, dessen Fahrwerk seinerseits auf den Austin A90 und damit auf die 40er Jahre zurückgeht) verlangt im Trident ein kräftiges Zupacken und eine gezielt ausgeführte Bedienung von Lenkung, Bremse, Kupplung und Getriebe, quasi ein geistiges „Anlaufnehmen“ bei jeder Handlung, was die Konzentration ungemein fördert.

Die Schaltung im TVR fühlte sich aber trotz des fehlenden Widerstandes beim Herumschieben des Ganghebels schön mechanisch an. Das 5-Gang Getriebe wie auch der enge Wendekreis (wohl dank Ford Cortina-Aufhängungsteilen) des TVR machen ihn zu einem praktischen und entspannten Reisewagen. Dies wird durch den Rover V8-Motor unterstützt, der aus dem Drehzahlkeller genügend Leistung hat, so dass es nicht so wichtig ist, welcher Gang gerade eingelegt ist, selbst in hügeligem Gelände.

Trident-Fahrer sind auch neidisch auf die sauber schliessende aufklappbare Heckscheibe, die ein Beladen mit Gepäck erleichtert (beim Trident muss alles an den vorderen Sitzen vorbei auf das Gepäckabteil unter der Heckscheibe gewuchtet werden, oder dann stört eine klapprige und undichte Heckklappe das Reisevergnügen). Schade ist einzig, dass der über der Hinterradaufhängung angeordnete Tank das Gepäckabteil beim TVR total zerklüftet, weshalb man beinahe zum Verwenden von Taschen als Reisegepäck gezwungen wird. Im Vergleich zu den wesentlich älteren Tridents fiel zudem auf, wie das Alter dem Interieur des TVR schneller zusetzt: Das von TVR verwendete Leder neigt zum Brechen und scheint zu kurz getrimmt zu sein, weshalb es sich überall im Bereich der A-Säulen und Armaturenbrett von den Rändern löst.

Das Umsteigen vom Trident auf den TVR macht einem das Leben also einfacher. Umso grösser ist der Kulturschock beim umgekehrten Weg. Frank Tanner hatte das Pech, dass er sich nicht Rainer Otts serienmässigen Clipper V8, sondern meinen modifizierten schnappte. Seine Eindrücke fielen entsprechend aus:

„Als TVR-Besitzer und Fan von Fords 289cu.in. V8 Klassiker war ich verständlicherweise sehr neugierig auf die brandheisse Kombination von englischem GT und USA-Small-Block Aggregat! Brunos Perfektionismus in Bezug auf seine „Spielzeuge“ war mir schon vorher bekannt, doch schon eine ehrfurchtsvolle Runde um den Clipper offenbarte einen Finish und eine Verarbeitungsqualität, die heute im Luxuswagensegment Standard ist, mit den Serienfahrzeugen von Trident (geschweige denn von TVR!) aus den Sechzigern aber nichts mehr zu tun hat. Auch im Innern: Leder und Wurzelholz wo der staunende Blick hinfällt und eine Haptik und Anmutung, bei der man seine Hand lieber auf der Mittelkonsole als auf dem Knie der schönen Beifahrerin lässt… Das Starten der Bestie ging glatt (erste Schweissperlen: ‚Knall das Teil bloss nicht in eine Hausmauer!’) und der Motor lief rund und ruhig, wenngleich das Geräusch aus den Auspuffendrohren so gar nicht nach Ford Mustang oder Fairlaine tönte.

Die Räder hatten sich erst zwanzig Zentimeter vom Fleck bewegt, als ich den Motor schon abwürgte! Peinlich. Ungewohnt kurz war der Weg des Kupplungspedals und dieser schnell hochdrehende V8, der anscheinend beim Anfahren ein paar Umdrehungen mehr wollte…. Dieser Motor kam mir immer mehr wie eine neuzeitliche TVR-Drehorgel vor. Untenrum wenig Drehmoment, eilig hochdrehend (da wenig Schwungmasse) und Leistung satt.

Auf den ersten Metern fielen das dünne Lenkrad und der schlechte Lenkradeinschlag auf. Das ist auch keine Überraschung, da der Wagen ja voriges Jahrhundert gebaut wurde. Toll das direkte Lenkgefühl und die Rückmeldungen von der Strasse; für dieses Rennfahrer-Feeling muss man aber hart arbeiten, als hätte man einen übelgelaunten Dobermann an der Leine. Ohne Servo-Unterstützung braucht man auf kurvigen Strassen die Oberarme eines kanadischen Holzfällers. Hier hätte ich mir einen etwas dickeren Lenkradkranz gewünscht; aber das Auge isst bekanntlich mit, und zum Interieur passt das filigrane Nardi perfekt. Auf diesem Ausflug würde ich also nicht nur aus Angst transpirieren, sondern auch von körperlicher Arbeit.

Das Verhalten des Fahrwerks hat mir gut gefallen: Nicht so hart wie mein TVR Chimaera 500, aus dem man nach einer Hundert-Kilometer-Fahrt nur mit hohen Dosen Morphium aussteigen kann, nicht so weich wie eine japanische Samurai-Nija-Banzai-Möchtegern-Alltags-Rennflunder und Welten von einem Ford Mustang 1969 entfernt – im positiven Sinne.

Wir kurvten durch eine anmutige Hügellandschaft, die Bäume standen gefährlich nah am Strassenrand und ich hatte die Scheiben unten, um den sensationellen Sound des Trident zu lauschen. Der von Bruno modifizierte Motor (aufgebaut auf einem 302er Block) hat mich zuerst irritiert. Rausbeschleunigen aus dem Drehzahlkeller war zwar dank viel Leistung kein Problem, doch es wurde offensichtlich, dass durch die Modifikationen (insbesondere eine schärfere Nockenwelle und etliche Edelbrock-Teile) der ganze Drehmomentverlauf des Ford V8 verändert wurde. Die Musik spielt in den oberen Drehzahlsphären und dort ging auch richtig die Post ab! Dank knackig zu schaltendem Getriebe und kurzen Schaltwegen schwankte ich zwischen Euphorie und Drogenrausch; ein Erlebnis der besonderen Art! Dennoch würde ich für dieses Auto mit seinen 1’400 kg einen originalen 289cu.in. High-Performance ohne Hydrostössel vorziehen.“

Rainer Ott, der seinen Clipper V8 in originaler Ausstattung, insbesondere dem 289 Hi-Po Motor, mitgebracht hatte, urteilte ganz ähnlich über meinen modifizierten Clipper:

„Die Lenkung ist zwar sehr direkt und ohne Spiel in der Mittellage. Mir ist sie aber durch die andere [höhere] Übersetzung zu hart und auf Dauer zu anstrengend. Der Motor ist auch erstaunlich anders als meiner. Vor allem die höheren Drehzahlen, die nötig sind, sind eine Gewöhnungssache. Es ist mehr ein „Renn“-Motor, im Gegensatz zu meinem, der mehr zu einem schnellen Reisewagen passt, mehr so ein klassischer Granturismo-Motor.

Das hängt natürlich auch stark mit dem Getriebe [enggestuftes Ford Toploader-Getriebe] zusammen, das bei deinem sehr präzise und schnell zu schalten ist. Das gefällt mir sehr gut, das Original-Getriebe [Borg Warner T10] ist aber für den Standardmotor meiner Meinung nach nicht schlecht übersetzt und unterstreicht das GT-Feeling, während deines auch wieder mehr den sportlichen Fahrstil begünstigt.

Die umfangreichen Änderungen an deinem Fahrwerk merkt man schon ziemlich stark. Vor allem die Seitenneigung der Karosserie ist merklich weniger als bei meinem. Dadurch ist er aber auch merklich härter und für längere Strecken weniger komfortabel.

Das Hauptproblem bei deinen Änderungen ist meiner Meinung nach, dass der Clipper halt ein klassischer GT ist, ein komfortabler, schneller Reisewagen (OK, der fünfte Gang und der grössere Tank fehlen) und sich nur schwer (oder gar nicht) in einen Rennwagen mit modernem Fahrverhalten verwandeln lässt.“

Und die Moral von der Geschichte? Sowohl Frank wie Rainer haben vollkommen recht mit ihrer Einschätzung. Nachdem in englischen Berichten immer von einem unsicheren, undefinierten Verhalten (u.a. auch das Einlenken) der Trident Clipper die Rede ist, hatte mich Rainers Clipper total überrascht. Er neigte in engen Kurven zwar etwas zum Untersteuern, doch das Einlenken war auf 205/70 x 15 Vredestein-Pneus unvermittelt und mit guter Rückmeldung über das Lenkrad. Die originale Schneckenlenkung erwies sich zudem als präzise und mit wenig Spiel um die Mittellage. Trotz mechanischem Gefühl liess sich das Borg Warner-Getriebe bequem schalten, und der Motor zog bereits aus untersten Drehzahlen kräftig an. Die erneuerten Gummibüchsen im Fahrwerk verhalfen dem Auto zu einem präzisen und berechenbaren, aber gleichwohl bequemen Fahrverhalten. Mit andern Worten, es lag in der Tat ein sich interessant und in einer positiven Weise antiquiert anfühlender GT oder Reisewagen vor. Was in England jeweils den Journalisten „vorgelegt“ worden war, müssen also miserabel eingestellte Fahrzeuge gewesen sein, vermutlich auch auf uralten Pneus, denn anders ist die vollkommen unterschiedliche Wahrnehmung nicht zu erklären.

Die umfassenden Änderungen an meinem Auto wären also gar nicht notwendig gewesen, im Gegenteil. Das enggestufte Getriebe (mit langem ersten Gang) und der klassisch (über höhere Drehzahlen) leistungsgesteigerte Motor führen zu einem mühsamen Betrieb in der Stadt. AP-Bremsen und Stabilisatoren vorn und hinten wie auch Polyurethan-Buchsen rundum machen den Betrieb auf Rennstrecken möglich, führen aber zu einem unbequemen Alltagsbetrieb. Die Verbindung von negativem Sturz an der Vorderachse und einer überarbeiteten, mit 2 ½ Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag arbeitenden Lenkung führt zu einem sehr präzisen und unmittelbarem Einlenken, treibt einem aber beim geringsten Manöver bei geringer Geschwindigkeit den Schweiss auf die Stirne. Für mich ist der Clipper in der vorliegenden Form zwar „stimmig“, ich würde aber einem Auto mit dieser uralt-Technik dies nicht mehr antun. Präzision im Fahrverhalten auf einem tieferen Niveau genügt bei diesen Autos, was aber dem Fahrvergnügen keinen Deut abkömmlich ist. Was die Tridents betrifft, sind sie eben nie Sportwagen gewesen, sondern sportliche Reisewagen, und dabei sollte man es zum eigenen Vorteil auch bewenden lassen.

Und was ist mit der Antwort auf die eingangs gestellte Frage? Vom Fahrfeeling her betrachtet haben TVR und Trident nicht einen Elternteil gemeinsam! Der TVR fühlt sich wie ein modernes Auto an, ganz leichtfüssig, während dem der Trident ein Gefühl vermittelt, welches die Engländer wohl mit „Vintage“, uralt, umschreiben. Ist das Auto aber „im Schuss“, kann gerade diese fühlte Antike zu einem herrlichen, speziellen Fahrerlebnis führen. Dies betonte Kurt Stuker, der Rainers Clipper ausprobiert hat. Ihn überraschte am Meisten, wie schnell er sich mit dem Trident nach dem Wechsel von seinem Griffith zurecht fand. Er hatte ein furchteinflössendes, unpräzises Fahrverhalten auf dieser alten mechanischen Basis erwartet, fasste aber wider Erwarten sofort Vertrauen in den Clipper. Selbst die erhöhte Sitzposition gefiel ihm, trug sie doch zur guten Übersichtlichkeit bei. Einen direkten Vergleich mit seinem Griffith wollte er aber nicht ziehen, denn er findet, der deutlich unterscheidbare Charakter bei alten Autos sei gerade das Faszinierende an sich, denn diese markanten Unterschiede des vermittelten Fahrgefühls liessen sich in modernen Autos kaum mehr ausmachen.

Bildquelle: Bruno Meier
Text: Bruno Meier