Granturas, und (fast) nichts als Granturas

Schaut man das Register der ersten TVRs durch, fällt auf, wie häufig der Name „Klaus Witzig“ auftaucht. Jedoch nur in den Listen bis zum Grantura Mk. IIa. Da stellt sich schnell die Frage, ob da einer den Markt leerkaufen will, um die Preise für diese Modelle zu treiben. Davon kann aber keine Rede sein, denn Ausgangspunkt ist die Faszination für die von TVR verbaute VW-Technik, welche mit dem Modell Mk. III nicht mehr verwendet wurde.
Die Anhäufung bei Klaus Witzig entstand als Folge seines Wunsches, Wracks zu retten. Er kaufte die Autos (oder was davon noch übrig war) vor vielen Jahren in England, als sich noch niemand dafür interessierte und sie häufig als Füllmaterial bei der Gartenumgestaltung Verwendung fanden. Gesucht hatte er eigentlich ursprünglich nur ein interessantes Coupé als Ergänzung zu den bereits mehrfach vorhandenen offenen Autos (MGA und Triumph TR).
Der umfassende Restaurierungsbedarf an praktisch allen Autos lässt Klaus aber auch die Zeit ausgehen, nebst seinen anderen Interessen den TVRs die notwendige Aufmerksamkeit zu geben. Als er und Monika eine kleine Gruppe von Fans aus der Schweiz im Juni 2013 zu sich einlud, brachte Kurt Stuker seinen Grantura Mk. IIa als fahrbereites Anschauungsmaterial mit, denn Klaus hat derzeit über kein TVR auf der Strasse. Während in der grossen Lagerhalle vor allem die ansässige Eule ihre Spuren hinterlässt (und die Autos noch die gleiche Position einnahmen, die sie schon vor Jahren hatten), sind Aktivitäten von Klaus im Werkstattteil des Industriegebäudes auszumachen.
Von seinem Sohn hat Klaus eine beinahe industriell dimensionierte Schweissbank erhalten. Darauf werden neue Grantura-Chassis (Mk. I bis Mk. IIa) gebaut, wobei Klaus gleich einräumt, gewisse Änderungen gegenüber dem Original vorgenommen zu haben. Darunter fällt nicht nur der Durchmesser der Querrohre für die Drehstäbe, sondern auch das Einfügen zweier schräg nach oben zum Vorderteil des Chassis führender Längsrohre entlang des Getriebetunnels und das Weglassen von zwei parallelen (und für die Statik irrelevanten) Längsstreben im Bereich des Getriebetunnels. Dies ist eine Modifikation, die bei den Prototypen Standard war und auch an den bekannten Fahrzeugen im Rennsport üblich ist.
Anstelle von simplen Blechlaschen für das Einstellen der Federung der Fronträder findet man nun einen aufgeschweissten soliden „Raster“ mit Verzahnungen für ein präzises Einstellen.
Radträger, welche ein vernünftiges Gelenklager (Rose joint) anstelle der Gummibuchsen aufnehmen, werden ebenfalls in Aluminium nachgefertigt. Das Design ist von einem wohl für Rennzwecke gefertigten Radträger übernommen worden, welchen Klaus in England gefunden hatte und als Basis für das neue Gussteil genommen hat.
Wir konnten die dazu passende neue Grantura Mk. I-Karosserie ebenfalls bewundern. Klaus hat eines seiner Fahrzeuge so vorbereitet, dass eine Negativform abgenommen werden konnte. Mit Hilfe eines Kollegen ist er nun in der Lage, Karosserien bzw. Karosserieteile selber herzustellen. Die Wandstärke der Karosserie kann nach Wunsch des Bestellers variiert werden.
Bei diesen Grantura-Modellen taucht immer wieder die Frage auf, was denn vor allem bezüglich Karosserie einen echten „Lightweight“ ausmacht. Klaus war deshalb froh, als er feststellen konnte, wie die Motorhauben bei zwei von ihm erworbenen „Lightweights“ identisch waren, so dass von einem massgebenden Erkennungsmerkmal ausgegangen werden kann. Dazu gehört nicht nur der Luftauslass am Windschutzscheibenende der Haube, sondern auch die gegenüber der Serie andere Anordnung der Blinker bzw. der Blinkeraufnahmen in der Karosserie.
An den TVRs war keine aktuelle Tätigkeit zu entdecken, dafür wurde an einem Chassis mit rechteckigen Rohren gearbeitet. Dieses gehörte zu einem Reliant Scimitar GTE, der in Arbeit ist. Unter einer Plane konnte man draussen gleich einen zweiten entdecken, der als Teilelieferant dazugekauft worden war. Dies stellt aber keine Abwendung von TVRs dar, sondern ist eben Ausdruck der leichten Ablenkbarkeit von Klaus. In dieses Kapitel einzuordnen ist ebenso ein Mini Marcos, welcher in beinahe fahrbereitem Zustand in der Werkstatt stand. Den Weg hierher fand er in typischer Weise: Klaus tat sich auf Ebay herum und fand, es könne doch nicht sein, dass so ein Auto für ein Butterbrot herumgeschoben wird. Er bot „einfach so“ etwas mit, um unversehens als neuer Eigentümer dazustehen, welcher mit Transporter nach England fahren musste, um das Erstandene abzuholen! Monika meinte, sie hätte Klaus bei dieser Gelegenheit wieder mal die Scheidung angedroht, wenn er nochmals solches tue. Diese Drohung muss aber schon öfters verpufft sein, denn zwischen den TVRs findet man in der Halle u.a. einen kaum mehr erkennbaren (mangels formgebender Teile) Fairthorpe, welcher ebenfalls als „Rettungskauf“ bei Klaus gelandet war.
Ein Elva Courier blieb hingegen stehen, weil ein Bekannter bei Klaus einen solchen „bestellte“, dann aber wegen den Transportkosten Diskussionen entstanden, weshalb die eigene Sammlung der Einfachheit halber damit ergänzt wurde. Ein Daimler SP 250 steht in desolatem Zustand zwischen TVRs, weil mit dessen Abnahme einem in Geldnöte gefallenen Bekannten geholfen werden sollte. Zu praktisch jedem Auto gibt es so einen einleuchtenden Grund, weshalb es hierher gebracht werden musste!
Zum Bedauern von Monika ist zwischen den TVRs zudem ein LaDawri auf Austin-Healey-Basis eingezwängt. Von allen Autos sähe sie dieses am liebsten auf der Strasse. Auf der Landstrasse in der ländlichen Gegend um Mindelheim würde diese sportliche USA-Karosserie wirklich ein schönes Bild ergeben. Immerhin zeigen diese Sehnsüchte von Monika, dass sie das Hobby von Klaus durchaus teilt und die angekündigten Konsequenzen bei weiteren Missetaten doch nicht so ernst zu nehmen sind.
Unsere Truppe stoppte auf dem Heimweg zurück in die Schweiz noch in einem Biergarten für das Nachtessen. Vor allem für Erstbesucher bei Klaus scheinen diese baldigen Gespräche über das Erlebte wichtig zu sein, um das Gesehene auf eine Reihe zu bringen. Das Irritierende dabei ist nämlich, dass Monika und Klaus überhaupt nicht die schrulligen Leute sind, die sonst mit Sammlungen dieser Dimension und diesem Zustand der Mehrheit der Autos in Verbindung gebracht werden. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben und setzen beim Einsatz der verfügbaren Zeit einfach seit einiger Zeit andere Prioritäten, z.B. die Restaurierung eines Hauses. Jeder, der auch nur zwei oder drei „Baustellen“ nebeneinander her betreuen will, weiss aber, wie schnell die Zeit davonläuft und man sich irgendwann damit abfinden muss, gewisse Sachen nicht erledigen zu können und sie einfach ruhen lassen zu müssen. Dass das Problem selbst mit einem Beauftragen von Dritten mit der Erledigung von Arbeiten nicht so einfach gelöst werden kann, zeigt jede Totalrestauration. Sie zieht sich Jahre dahin, und wenn man sich nicht selbst um viele Dinge persönlich kümmert (was wieder das Zeitproblem aufbringt), wird eh nichts Gescheites draus. Werden historische Fahrzeuge trocken aufbewahrt, bis sich der richtige Restaurator oder die notwendige Zeit findet, ist damit auch ein anerkennenswerter Beitrag zur Geschichte von TVR geleistet.
Wer mehr über Klaus Witzig und seine Sammlung erfahren möchte, findet auf seiner Homepage zusätzliche Informationen. Die Teilnehmer unseres Ausfluges waren auf jeden Fall wieder begeistert über das Erlebte und vor allem den überaus freundlichen und enthusiastischen Empfang durch Monika und Klaus. Und vielleicht auch über die Erkenntnis, dass ein fahrbereites Hobbyauto völlig genügt und man all die anderen begehrenswerten Autos lieber bei Bekannten und Freunden mitgeniesst, ohne die damit verbundenen Sorgen als Eigentümer zu haben.

Bildquelle: Bruno Meier
Text: Bruno Meier