Oder eine Ausfahrt mit unvorhersehbaren Folgen.
Es ist Mitte Oktober an einem grauen Sonntagvormittag irgendwo in Schleswig-Holstein. Hier soll sie also starten, meine erste Oldtimer-Ausfahrt. Patrick hat mich zur zweiten Auflage der „Wir wollen Meer sehen“-Tour eingeladen. Den Treffpunkt auf einem Rastplatz in der Nähe von Bimöhlen habe ich schon mal pünktlich erreicht. Ich stelle mein Auto ab und fädele mich halbwegs stilecht auf die Beifahrerseite von Patricks Wagen. Unsere kleine Kolonne, bestehend aus zwei TVR Taimar, einem Reliant Scimitar und – Oldtimerfahrer scheinen tolerant zu sein – einem Alfa GT, setzt sich dann auch umgehend in Bewegung.
Obwohl ich seit inzwischen zehn Jahren in Kiel lebe, werden wir Orte durchfahren, die ich höchstens vom Hörensagen kenne. Arroganz des Städters, wahrscheinlich. „An der Kreuzung da vorne links ab!“ ist dann auch meine erste Anweisung. Das Roadbook mit seinen sonderbaren Richtungszeichen auf dem Schoß und den Tripmaster immer fest im Blick komme ich mir vor wie der junge Christian Geistdörfer. Wir fahren über beschauliche, gefühlt menschenleere Orte Richtung Plöner See. Landschaftlich ist die Strecke echt schick. Aber einsam. Der erste Halt ist dann die Fischerei & Räucherei Rüdiger Lasner am Plöner See. Leider hat der Chef beschlossen, die Küche dem herbstlich kalten Wetter anzupassen. Immerhin ist der Kaffee heiß und stark und die Fischbrötchen frisch. Das Personal bleibt landestypisch wortkarg. Gestärkt begeben wir uns dann auf den zweiten Teil der Tour in Richtung Gut Panker.
Diesmal mimt Patrick den Beifahrer in seinem Taimar, obwohl er sofort zugeben muss, damit nicht so gut umgehen zu können. So komme ich unverhofft zu meiner ersten richtigen Probefahrt in einem TVR. Den Gang einlegen und den Wagen beim Losfahren nicht sofort abwürgen. Man muss sich immer erreichbare Ziele setzen. „Den fünften Gang brauchen wir nicht, da hört man das Auto ja gar nicht“. Okay, ich bin dann doch eher der Cruiser und nicht der Heizer. Das macht wohl der Altersunterschied.
Als wir nach knapp einer Stunde Fahrt auf Gut Panker ankommen, verblüfft mich dann doch, wie positiv und freundlich man so als Oldtimer-Fahrer wahrgenommen wird. Erstaunte und erfreute Blicke auf diese Exoten von der Insel. Mal keine sonst so regional typischen Pagoden.
Sechs Wochen später.
Patrick hat mir vor über einem Jahr sehr erfolgreich den Floh von einem Oldtimer ins Ohr gesetzt. Somit suchen wir dann auch nach einem Wagen für einen ambitionierten Nichtbastler. Was sich mit der Zeit als immer schwieriger rausstellt, der Markt scheint plötzlich wie leergefegt zu sein. Irgendwann Anfang November dann die SMS: „Ich glaub, ich hab ein Auto für Dich“. Der knappen Nachricht folgt eine Mail mit umfangreicher Beschreibung eines TVR 3000 und was da so alles gemacht wurde in den letzten Jahren. Etwas später kommen dann die Bilder. Tja, wie das manchmal so ist im Leben. Man merkt, da ist er jetzt, der richtige Zeitpunkt, der richtige Wagen. Am nächsten Tag das erste Telefonat mit Gregor. Auch wieder so ein sympathischer Enthusiast. Er will sich, jetzt wo der Wagen fertig ist, neuen Bastelarbeiten widmen. Da der Platz nun mal in jeder Garage irgendwann knapp wird, muss er sich schweren Herzens selbigen wieder schaffen. Wir finden spontan einen Termin für die Probefahrt und – da ich ohne Patrick definitiv komplett aufgeschmissen wäre – machen wir uns Mitte November gemeinsam auf den Weg zu Gregor nach Krefeld.
Die Probefahrten die Patrick und ich machen, laufen wie befürchtet. Es gibt einfach nichts zu meckern. So sehr wir uns auch Mühe geben. Und wir können sehr eklig sein. Selbst auf der Hebebühne macht der Brite eine “bella figura“. Den Kaufvertrag noch schnell unterschreiben, Geld gegen Schlüssel ausgetauscht. Die grobe Richtung nach Hamburg gibt uns Gregor noch kurz mit auf den Weg. Freundlich hupend fahren wir vom Hof und sind kurze Zeit später auf der Autobahn Richtung Norden.
Ich schalte breitgrinsend in den fünften Gang. Da muss er jetzt leider durch.
Was wir auf der Tour zurück viel zu spät merken: Novembertage eignen sich mit TVRs nur bedingt für lange Autobahnfahrten. Freundlich formuliert, der Wagen wird auf der ganzen Strecke nur bedingt warm. Nach einer ersten Pause sitzen wir beide mit unseren dicken Jacken, Schals und Handschuhen im Auto. Aber heimelig geht definitiv anders. Erstaunlich, wie schnell man dann von heißen Duschen träumt. Von rechts höre ich jetzt mehrfach das Wort „Kühlschrank“. Kurz hinter Hannover fängt es zu allem Überfluss auch noch leicht zu nieseln an und ich lerne den Scheibenwischer richtig zu bedienen, damit er beim Ausschalten nicht im Irgendwo auf der Scheibe stehen bleibt. Das ist man in Zeiten von teilautonomen Fahrzeugen so gar nicht mehr gewohnt. Patrick setze ich dann inzwischen komplett durchgefroren zu Hause ab. Ich schlängele mich durch den Verkehr in Hamburg und fluche kurze Zeit später über diesen neuen, aber furchtbaren Fahrbahnbelag auf der A7. In meinem bayerischen Dialekt klingt das in Teilen auch sehr melodisch. Eine Stunde später ist es endlich geschafft. Die Strecke Krefeld – Kiel liegt hinter mir. Und dank Patrick steht nun in irgendwo in einer Kieler Garage ein dunkelblauer TVR 3000 und freut sich auf das kommende Frühjahr. Und ich mich endlich auf eine heiße Dusche.
Bildquelle: Jürgen Klein, Patrick
Text: Bodo Stadler